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17.08.2016

Manchmal eine Weltreise: Der Weg zum Dr. med.

Wissenschaftliches Quartett: (v.l.) Dr. Thomas Bitter, Florian Schindhelm, Vanessa Rubesch-Kütemeyer und Privatdozent Dr. Georg Nölker im Herz- und Diabeteszentrum NRW, Bad Oeynhausen (Foto Armin Kühn).

Zu einer Zeit, in der immer mehr Krankenhäuser auf maximale Kosteneffizienz setzen, investiert das Bad Oeynhausener Herz- und Diabeteszentrum NRW (HDZ NRW) in den forschenden Nachwuchs und innovative Verfahren.

Die wissenschaftliche Arbeit kostet viel Zeit und Durchhaltevermögen. Vor allem will sie gut beraten und begleitet sein. Zu einer Zeit, in der immer mehr Krankenhäuser auf maximale Kosteneffizienz setzen, investiert das Bad Oeynhausener Herz- und Diabeteszentrum NRW (HDZ NRW) – Universitätsklinik der Ruhr-Universität Bochum - in den forschenden Nachwuchs und innovative Verfahren mit dem Ziel, seinen Patienten stets die beste verfügbare Behandlungsqualität anbieten zu können. Das zeigen diese Beispiele:
Fragt man Vanessa Rubesch-Kütemeyer und Florian Schindhelm danach, was das Wichtigste an einer Doktorarbeit ist, dann sind sie sich einig darin, dass nicht etwa ein spannendes Thema oder ein besonderer Forschungsaspekt entscheidend ist, sondern die Qualität der Betreuung. Die beiden müssen es wissen: Die eine hat den Nachweis ihrer eigenständigen wissenschaftlichen Arbeit soeben erbracht, beim anderen steht dies kurz davor. Egal, ob die Doktorarbeit berufsbegleitend oder in einem ausschließlich dazu vorgesehenen Zeitraum entsteht: Zielstrebigkeit wird belohnt. Achtung: Der Aufwand wird schnell unterschätzt. Umso besser ist es, bei der ersten wichtigen und großen klinisch-wissenschaftlichen Forschungsarbeit einen festen Ansprechpartner zu haben, der sich auskennt. Von den Ergebnissen können alle Seiten profitieren. In unseren Beispielen sind es besonders auch die Patienten des HDZ NRW.

Kälte gegen Vorhofflimmern - so schonend wie möglich
Auf ihr Dissertationsthema, die Kryoballonprozeduren, traf Vanessa Rubesch-Kütemeyer vor fünf Jahren, als sie nach ihrem Medizinstudium in der Klinik für Kardiologie unter der Leitung von Prof. Dr. Dieter Horstkotte in den Beruf einstieg. Die damals 26-jährige Assistenzärztin wurde in allen Abteilungen der Klinik ausgebildet. Sie war von den Herzkathetereingriffen mittels Kälte fasziniert, die unter Privatdozent Dr. Georg Nölker in der Elektrophysiologie zur Behandlung des Vorhofflimmerns durchgeführt werden. Vorhofflimmern ist die häufigste Herzrhythmusstörung überhaupt. Kommen Arzt und Patient darin überein, dass bereits als Erstmaßnahme eine Verödungsbehandlung durchgeführt werden sollte oder kann sie mit Medikamenten nicht erfolgreich behandelt werden, empfehlen sich sogenannte Ablationen mit Hochfrequenzstrom oder Kälte (Kryoballon), die im Herzkatheterlabor unter Röntgenbeobachtung durchgeführt werden. Beim Kryoballonverfahren platziert der Kardiologe mit dem Katheter einen kleinen Ballon punktgenau im linken Vorhof des Herzens, der sich dann entfaltet und mit bis minus 60 Grad die Verbindung des Ursprungsortes der Rhythmusstörung in den Lungenvenen zum linken Herzvorhof dauerhaft verödet.

Patientenorientierte Studie
Wie könnte man die Kryoballonprozeduren zukünftig noch schonender für die Patienten gestalten? So lautete die Frage, die Nölker stellte und die Vanessa Rubesch-Kütemeyer mit einer wissenschaftlichen Untersuchung beantworten wollte. Der erfahrene Elektrophysiologe hatte dabei die Strahlenbelastung im Sinn, der seine Patienten während des Eingriffs notwendigerweise ausgesetzt sind. Die Besonderheit dabei: Zusätzlich zur allgemein üblichen Röntgendarstellung lässt die HDZ-Elektrophysiologie bei ihren Patienten auch das Herz von innen mittels Ultraschall (sog. intrakardiale Echokardiographie) untersuchen. Nölker gab auch die ersten wichtigen Tipps zur Methodik der Arbeit. Zunächst hat die Assistenzärztin die Daten von 100 Patienten gesammelt, die Verfahren der modernen Röntgentechnologie und intrakardialen Echokardiographie begutachtet, Prozeduren mit mehr oder weniger Kontrastmittel und die Vielfalt der Ultraschalluntersuchungen eingehend ins Visier genommen und ausgewertet.
„Das war kein Zuckerschlecken, denn ganz nebenbei gehe ich ja einer Vollzeitbeschäftigung nach“, sagt sie. Vom Ergebnis waren die Experten dann aber doch überrascht: Vanessa Rubesch-Kütemeyer hat ein Verfahren erforscht, mit dem die Strahlenbelastung bei Kryoballonprozeduren nur noch 30 Prozent der bisher üblichen Dosis beträgt – ein großer Vorteil für die Patienten. „Denn zugleich konnte eine unverändert hohe Qualität der Behandlung nachgewiesen werden“, betont Privatdozent Dr. Nölker stolz. Von der ersten Datenauswertung an hat es gut zwei Jahre gedauert, bis die Arbeit seiner Doktorandin jetzt in einem anerkannten europäischen Fachjournal veröffentlicht wurde. Der Doktortitel ist damit in greifbare Nähe gerückt.
Die zusätzlich zur standardmäßigen Röntgendurchleuchtung durchgeführte Ultraschall-Visualisierung mit einem Katheter direkt im Herzen verursacht hohe zusätzliche Kosten, ohne dass es dafür mehr Geld von den Krankenkassen gibt. Im Sinne der niedrigen Strahlenexposition für Patient und Untersucher kommt dieses Verfahren am HDZ aber dennoch grundsätzlich zur Anwendung.

Zürich – Sydney – Montreal – Bad Oeynhausen
Florian Schindhelm hat sich bewusst ein Freisemester genommen, um sich voll und ganz seiner Dissertation widmen zu können. Diesen Rat hatten dem 25-Jährigen ältere Kommilitonen der Ruhr-Universität Bochum gegeben, ebenso die Empfehlung, dass Professor Dr. Olaf Oldenburg, Leiter des kardiologisch geführten Schlaflabors im HDZ NRW, immer ein offenes Ohr für Studenten hat. Er und Oberarzt Dr. Thomas Bitter waren es dann, die mit ihm die Themen für seine Doktorarbeit abstimmten. Neben einer Validitätsprüfung eines neuen Diagnosegeräts, das Patienten mit Schlaf- und Atmungsstörungen einige Verbesserungen und Vereinfachungen verspricht, untersucht Schindhelm die sogenannte Cheyne-Stokes-Atmung. Hierbei handelt es sich um eine besonders schwere Form von schlafbezogener Atmungsstörung, die häufig mit schweren Formen von Herzschwäche (Herzinsuffizienz) einhergeht. Diese Atmungsstörung ist durch ein periodisches An- und Abschwellen der Atemtiefe und des Abstands der einzelnen Atemzüge gekennzeichnet.
„Hier geht es um die Frage, in welchem Zusammenhang die für Herzinsuffizienzpatienten typischen Wassereinlagerungen mit der Atmungserkrankung stehen und wie diese idealerweise zu therapieren sind“, erläutert Schindhelm seine Untersuchung, für die er 40 Patienten des HDZ in sein Studienprogramm aufnahm. Der gebürtige Böblinger liegt im Zeitplan. Sein klinisches Wahlfach an der Ruhr-Universität Bochum war bereits die Kardiologie. Mit der Schlafmedizin beschäftigt er sich jetzt seit knapp zwei Jahren. Seine Forschungsarbeit wird er voraussichtlich im Laufe seines Praxissemesters abschließen, dass er in der Chirurgie absolviert – zunächst im Bergmannsheil Bochum, danach jeweils acht Wochen in der ganzen Welt. Bekannte Kliniken in Sydney, Montreal und in Zürich werden dabei seine Stationen sein, bevor er wieder nach Bad Oeynhausen kommt. Die E-Mail-Adressen mit Prof. Oldenburg und Dr. Bitter wurden natürlich längst ausgetauscht. „Die Unterstützung, die ich hier erhalten habe, war einfach nur großartig“, betont er. Nach erfolgreichem Abschluss ihrer Doktorarbeiten möchten beide vor allem klinische Erfahrungen sammeln – weitere Forschung nicht ausgeschlossen.