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18.02.2021

Wie gefährlich sind die Virusmutationen?

Prof. Dr. Cornelius Knabbe, Direktor des Instituts für Laboratoriums- und Transfusionsmedizin am HDZ NRW, Bad Oeynhausen (Foto Peter Hübbe).

Prof. Dr. Cornelius Knabbe, Institutsdirektor der Laboratoriums- und Transfusionsmedizin am Herz- und Diabeteszentrum NRW, über Möglichkeiten und Grenzen der Virusdiagnostik.

Wenn sich das aus 30.000 Einzelbausteinen bestehende Erbgut des SARS-CoV-2-Virus vervielfältigt, entstehen Kopierfehler. Mehr als 12.000 solcher Mutationen des Coronavirus sind inzwischen bekannt. Drei davon bereiten den Experten besondere Sorge. Sie werden benannt nach den Ländern, in denen Sie erstmals entdeckt wurden: Die britische Mutation B.1.1.7, die südafrikanische Virusvariante B.1.351 und die brasilianische Variante B.1.1.248.

Laut Verordnung des Bundesgesundheitsministeriums sollen fünf Prozent aller positiven PCR-Proben mittels einer Genomanalyse vollständig auf die Zusammensetzung ihres Erbguts mittels Sequenzierung untersucht werden. Dabei werden auch diese drei besonders infektiösen Virusvarianten erkannt. Am Institut für Laboratoriums- und Transfusionsmedizin des Herz- und Diabeteszentrum NRW (HDZ NRW), Bad Oeynhausen, geht man vorsorglich und aus eigenen Mitteln noch darüber hinaus: Hier werden in einem ersten Schritt sämtliche positiven PCR-Proben mittels eigenentwickelter Verfahren auf die hochinfektiösen Mutationen geprüft. Dazu gibt Institutsdirektor Prof. Dr. Cornelius Knabbe Auskunft.

Herr Professor Knabbe, kann man Virusmutationen aufhalten?
Das ist praktisch unmöglich. Deshalb muss das Ziel sein, die Ausbreitung bestimmter Mutationen möglichst frühzeitig zu erkennen und diese mit verstärkten Schutzmaßnahmen einzudämmen.

Wie geht die Labordiagnostik vor, um gefährliche Virusstämme zu identifizieren?
Wir untersuchen seit Anfang Februar schon sämtliche positiven PCR-Abstriche in einem Screeningverfahren auf die sogenannte Leitmutation und weitere Auffälligkeiten hin, das nennt man auch Typisierung. Das Ergebnis dieses Screening Verfahrens liegt bereits am nächsten Tag vor, so dass bei negativem Ergebnis das Vorliegen einer der drei besonders infektiösen Mutanten ausgeschlossen werden kann. Danach wird in einem anschließenden Sequenzierungsverfahren das komplette Erbgut des Virus entschlüsselt, d.h. es werden nicht nur die derzeit drei besonders infektiösen Mutanten festgestellt, sondern auch, um welchen Virusstammes es sich handelt und ob sich ggf. neue, bisher unbekannte Veränderungen entwickelt haben. Das dauert bei uns etwa zwei bis drei Tage. Die Sequenzdaten werden dann an eine nationale Datenbank beim Robert-Koch-Institut zur epidemiologischen Bewertung übermittelt.

Bedeutet dieser durch die Diagnostik notwendige Zeitverlust nicht eine größere Gefahr, dass sich das Virus unerkannt ausbreitet?
Nein, da zum Ausschluss der drei besonderes infektiösen Mutanten lediglich ein weiterer Tag vergeht. Die gebotene Quarantäne beginnt ja schon unmittelbar nach Bekanntwerden eines positiven PCR-Testergebnisses.

Was wird im HDZ getan, um eine Ausbreitung des Virus in der Klinik zu verhindern?
Hier greift ein ganzes Maßnahmenpaket aus Hygienevorschriften und Infektionsschutz. Aufgrund unserer Erfahrungen im Umgang mit infektiösen Erregern und der ständigen Beobachtung der Pandemiesituation setzen wir aber schon viel früher, proaktiv mit vielen vorsorglichen Vorkehrungen an. Dazu zählt unter anderem, dass wir bereits seit Herbst 2020 unseren Mitarbeitern eine wöchentliche Abstrichtestung mittels PCR anbieten. Das ist kostenlos und wird sehr gut angenommen. Es haben sich aber auch interne Regelungen unseres Krisenstabs bewährt, die nicht selten über die Empfehlungen des Robert-Koch-Instituts bzw. des Gesundheitsamtes hinausgehen. So erfolgen nach Ablauf einer Quarantäne bei Mitarbeitern zwei weitere PCR-Testungen.

Gelten für geimpfte Mitarbeiter andere Regeln?
Nein, sämtliche Hygienevorschriften gelten einheitlich für alle Mitarbeitenden, Patienten und Besucher des HDZ NRW. Im übrigen schützt eine Impfung nicht unbedingt vor einer Infektion. Sie scheint aber nach aktuellem Stand schwere Verläufe der COVID-19-Erkrankung zu verhindern.

Wie groß ist die Gefahr, dass eine Mutation entsteht, die Ihr Labor noch nicht erkennen kann und gegen die eine Impfung nicht schützt?
Sequenzierungsverfahren erfordern besondere Erfahrung, eine entsprechende Geräteausstattung und wissenschaftliches Fachpersonal, insbesondere mit langjähriger bioinformatorischer Expertise. Das alles hält das HDZ unter anderem im Rahmen seiner universitären Forschungslaboratorien vor, um den zukünftigen Anforderungen gewachsen zu sein. Damit wird jede Virusveränderung erkannt. Bislang tauchen zahlreiche Mutationen pro Monat im Corona-Genom auf, die sich durchsetzen können. Die Einordnung neu entdeckter Veränderungen z.B. hinsichtlich besonderer Infektiosität oder des Risikos besonders schwerer Krankheitsverläufe erfolgt durch die nationalen und internationalen Behörden, wie das Robert-Koch Institut oder die ECDC (European Commission for Disease Control). Aber das Virus hat seine Evolution ja gerade erst begonnen. Das bedeutet voraussichtlich, dass die Mutationsfrequenz ansteigen wird, solange es noch genügend Menschen gibt, die sich potenziell infizieren können.

Was wäre Ihr Rat?
Maskentragen, Abstandhalten und Einschränken privater Kontakte sind die derzeit wichtigsten Coronaregeln, um das Mutationsgeschehen im Griff zu halten, bis eine ausreichend große Durchimpfungsrate der Bevölkerung erzielt ist. Von Diskussionen darüber, welche Virusvariante womöglich gefährlicher ist, sollte man sich nicht allzu sehr verunsichern lassen. Denn einer der großen Vorteile der neu entwickelten Impfstoffe, insbesondere mRNA-Impfungen ist es, dass diese bei Bedarf an neue Mutationen des SARS-CoV2-Virus angepasst und innerhalb kurzer Zeit nachproduziert werden können.

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