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25.11.2015

Das Glück der kleinen Amely

Stabwechsel im Kinderherzkatheterlabor des HDZ NRW: PD Dr. Nikolaus Haas (r.) geht nach München und übergibt an Dr. Majed Kanaan (l.) vom Deutschen Herzzentrum Berlin (Foto Armin Kühn).

Spezialisten im Kinderherzzentrum Bad Oeynhausen wagen einen riskanten Eingriff, um das Leben eines frühgeborenen Mädchens zu retten.

Damit hatten sie nicht gerechnet. Eigentlich waren die beiden Kinderherzspezialisten an einem Samstag im Herz- und Diabeteszentrum NRW (HDZ NRW), Bad Oeynhausen, verabredet, weil Privatdozent Dr. Nikolaus Haas, Leiter des Kinderherzkatheterlabors und zukünftiger Chefarzt am Klinikum Großhadern in München, seinem designierten Nachfolger Dr. Majed Kanaan in aller Ruhe die Klinik vorstellen wollte. Dann kam der Notfall. Und schon standen beide Seite an Seite im Katheterlabor, um einem zu früh geborenen kleinen Mädchen das Leben zu retten.

Der Anruf kam am frühen Vormittag aus einer Uniklinik der Ruhr-Universität in Bochum. Ein Baby sollte dringend nach Bad Oeynhausen verlegt werden. Prof. Dr. Deniz Kececioglu, Chefarzt der Kinderkardiologie im HDZ NRW, führt im Bochumer St. Josef-Hospital jeden Monat eine Sprechstunde zur Früherkennung angeborener Herzfehler durch. Die kleine Amely hat er schon vor der Geburt kennengelernt. Ihre Mutter Cindy Priem war darauf vorbereitet, dass ihre Tochter mit einer angeborenen Fehlbildung des Herzens zur Welt kommen sollte.

Dass der Start ins Leben dann so dramatisch begann, war jedoch nicht abzusehen. Amely musste in der 35. Schwangerschaftswoche per Kaiserschnitt geboren werden, fünf Wochen zu früh und mit nur 1.500 Gramm Gewicht. Ihr Herzfehler heißt Fallot-Tetralogie, er macht etwa zehn Prozent aller angeborenen Herzfehlbildungen aus und besteht aus vier Komponenten, welche die Lungenschlagader, Herzklappe, Aorta und die rechte Herzkammer betreffen. Die komplexe Fehlbildung belastet das gesamte Herz-Kreislauf-System, vor allem die Atmung. Weil zu wenig sauerstoffreiches Blut in den Körper gelangt, verfärbt sich die Haut von Fallot-Kindern oft bläulich. Amely muss bereits wenige Tage nach der Geburt wiederbelebt werden und erhält Medikamente in hoher Dosis, weil sie unter ungewöhnlich schweren Krampfanfällen leidet, sogenannten Blausuchtsanfällen, die für die Fallot-Fehlbildung typisch sind.

"Normalerweise werden die Kinder im Alter von 6 Monaten bis zu einem Jahr mit einem Gewicht von sechs bis zehn Kilogramm operiert, um eine normale Anatomie zu schaffen und die Sauerstoffversorgung sicherzustellen", erläutert PD Dr. Haas das übliche Vorgehen. Amely aber ist dafür viel zu klein und viel zu zart. Als sie jetzt im Alter von nur 14 Tagen nach Bad Oeynhausen kommt, ist ihr Zustand lebensbedrohlich und sie wiegt gerade einmal 1600 Gramm. Eine OP kommt nicht in Frage, das steht nach Rücksprache mit der Kinderherzchirurgie im HDZ schnell fest.

Haas und Kanaan müssen nun schnell entscheiden. Amelys Lungenschlagader muss im Herzkatheterlabor von nur 2 Millimetern Durchmesser auf mindestens 4 Millimeter geweitet und mit einem Stent gestützt werden. Normale Gefäßstützen für Säuglinge sind jedoch viel zu groß für Amely. Privatdozent Dr. Haas greift deshalb auf einen Stent zurück, der eigentlich für die sehr feinen Herzkranzgefäße von Erwachsenen gedacht ist. Dr. Majed Kanaan assistiert seinem Kollegen. Nach einer guten Stunde beenden die Kinderkardiologen den Eingriff erfolgreich. Schon am Abend steht fest, dass Amely sich erholen und später ein ganz normales Leben führen wird. "Notfallmäßige Herzkatheterinterventionen bei Frühgeborenen sind sehr selten", resümiert Dr. Majed Kanaan, der das Kinderherzkatheterlabor der von Prof. Kececioglu geführten Klinik für Kinderkardiologie und angeborene Herzfehler im HDZ NRW vom kommenden Frühjahr an als Oberarzt leiten wird. "Ohne ein solch hochkomplexes Verfahren hätte Amely wohl keine Überlebenschance gehabt."

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